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Mit Hegel beim Arbeitsamt 

Von Marek żmiejewski

 

Die frühere klassische Aufteilung der Wissenschaft der Ökonomie in die politische, nationale und Betriebsökonomie hat ihre Gültigkeit verloren. Durch die Globalisierung verschwand die Nationalökonomie. Durch die Gleichschaltung der Ökonomie mit der Politik ist auch die politische Ökonomie verschwunden.  Die Betriebsökonomie zerstreute sich in der Mannigfaltigkeit der partikülleren Interessen der anonymen Aktienbesitzer. Es ist heutzutage schwer, die Politik und die Ökonomie auseinander zu halten, weil Politik ökonomisch und dadurch die Ökonomie alleinige bestimmende gesellschaftliche Kraft geworden ist. Der Eindruck entsteht, dass die Politik, die  in die Dienste der ökonomischen Interessen so unkritisch eingetreten ist,  schon immer, zu jeder Zeit und unter jeden Umständen so tat.

Die neue neoliberale Ökonomie, da sie jede politische Zielsetzung ablehnt, ist rücksichtslos gierig geworden. Sie wird erst dann politisch, wenn sie auf die zum Abbau bestimmte Staatlichkeit als Hindernis der Profitmaximierung trifft. Dabei verhält sie sich einseitig unkreativ, weil sie immer nach demselben Muster fortfährt, das den Abbau der Arbeitsplätze und der sozialen Leistungen beinhaltet. So verursacht sie unaufhaltsam eine flächendeckende,  stufenlose Verwüstung dessen, was mal in der Geschichte eine soziale Marktwirtschaft genannt worden ist. Die vielen Arten des ökonomischen Denkens, die auf die Ziele des ökonomischen Handelns hinwiesen, der Staat, das Betrieb usw. werden durch die einzige Rationalität, nämlich die neoliberale zermahlt. Die Sparmassnahmen des sozialen Abbaus gehen immer deutlicher auf  die existentielle Grundlage der Millionen Menschen, auf ihr pures Überleben, auf ihr Essen, ihr Wohnen, ihre Kleider, Bildung, Freizeit.

Der Staat ist Garant des Rechts, somit der Garant der Freiheit im Rahmen des Gesetzes - der verwirklichten Freiheit. So garantiert die Politik jedem seine bürgerlichen Rechte, womit die Ökonomie gar nicht zu tun hat. Alle Aufgaben des Staates erscheinen in der neoliberalen Sichtweise jedoch ausschließlich als Kostenfaktor, obwohl sie noch vor kurzem als substantielle Ziele des Staates galten. Mit dem Verschwinden der Selbständigkeit der Politik breitete sich eine Ratlosigkeit darüber, wie der Staat seine verfassungsmäßigen Aufgaben, im Kurzen - die Sicherung der Lebensgrundlage seiner Bürger und der Demokratie, erfüllen soll. Der Denkfehler im politischen Denken liegt darin, dass es annimmt, dass die Ökonomie die Aufgabe der Lebenserhaltung der Bürger eines Staates von sich aus wie selbstverständlich löst. Die heutigen Ökonomen sind jedoch an keinen Staat und keine Politik gebunden, sowohl geistlich wie rechtlich. Das einzige, was sie zum Handeln treibt, ist die kurzlebige Gewinnerwartung, nämlich die schnellste und höchste. Übliche Gewinne, die in der Wirtschaft eines Staats, oder eines Betriebs erzielt werden können, sind für sie uninteressant geworden. Genauso unverständlich in dieser Sichtweise erscheinen die Aufgaben, d. h. die Ausgaben des Staates, weil sie die schnellen Gewinne verhindern. Die so genannten Wirtschaftskapitäne haben längst ihren Wirkungsradius auf die ganze Welt ausgebreitet, und steuern plündernd, durch den Stern der Profitmaximierung geleitet, die entferntesten Häfen der Welt an. Sie vertreten keine Staaten der Welt mehr, sondern nur sich selbst.

Diese pure Gewinnmentalität lässt sich durch keine anderen als ökonomischen Argumente beeinflussen, nämlich dadurch, dass der Staat oder die Gemeinschaften der Staaten selbst ökonomisch tätig werden, nämlich so, dass sie ein Kapital aufbringen, das sich mit kleineren Gewinnen begnügt, dafür aber direkt die menschlichen und verfassungsvorgeschriebene Ziele realisiert. Für die nach dem höchsten Gewinn rücksichtslos strebenden Gewinnhaie bietet nicht die bessere Gewinne erzielende Institution die Konkurrenz, sondern garantierte und unabhängige ökonomische Tätigkeit, die sich zum Ziel die würdige Vollbeschäftigung setzt. Gerade für die Realisierung dieser Ziele wurde der Staat und seine Organe ins Leben gerufen, was historisch gesehen, ein Resultat der Kämpfe der emanzipatorischen Bewegungen mit der Macht des gierigen Kapitals und der Machtwillkür war. In der neuen, aber im Wesentlichen der alten Situation muss sich der Staat, noch besser Europa, sich an den ursprünglichen Sinn seiner Institutionen besinnen. Die Gewerkschaften sind keine Organe nur für die Verwaltung der erzielten Gewinne zu Gunsten der (noch) Beschäftigten, die Sparkassen sind keine kommerziellen Banken, die höchstmögliche Rendite auspressen, die Krankenkassen keine Investitionen in das Gesundheitswesen.  Arbeitsamt dient nicht  der Schüchterung der Arbeitslosen, und der Lieferung des staatlichen Kapitals an die privaten Arbeitsagenturen, sondern soll  die würdige Arbeit der Menschen organisieren.

 

Unter dem Druck der Gewinnunersättlichkeit, verstärkt durch Profitsverlockung für die Mitmachenden verlor die Politik ihren Kopf. Kopflos also glaubte sie weiter daran, dass nur die freie Wirtschaft Arbeitsplätze schafft, wenn ihre immer unverschämter werdenden Bedingungen erfüllt werden. Sie machte kräftig und freiwillig bei dem Abbau der sozialen Strukturen mit, um der Wirtschaft ungestörte Möglichkeiten der Entwicklung zu garantieren, mit dem Resultat, dass der Schaffung von 10 neuen, der Abbau von 100 Arbeitsplätzen folgte. Dabei gab es keine Rezession-Perioden, womit man den Abbau rechtfertigen könnte. Ein Novum in den öffentlich anerkannten Gründen für den Sozialabbau ist die Konkurrenz um die höchsten Gewinne, nicht um die Gewinne überhaupt. Die Erpressung bestand darin, dass man dorthin zu gehen drohte, wo die höchsten Gewinne zu erreichen sind. Man stellte sich dabei dar, als der einzige Schöpfer von Arbeitsplätzen und als einzige Quelle des nationalen Reichtums. Medien und Politik machten sofort mit, „rette, wer kann die Gewinne unserer Arbeitsgeber. Werden diese Gewinne nicht garantiert, verschwinden die Arbeitsplätze“. Die Kosten des Staates, die Arbeitslöhne wurden dargestellt als Geld, das man den „armen Wirtschaftkapitänen“ direkt aus ihren Hosentaschen herausgezogen hätte.

Überall, wo die Berührungspunkte der Politik und Ökonomie lagen, wo der Staat seine Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Soziales hatte, verfuhr man nach demselben Muster; - Kosten Sparen! Bei diesen "Reformen" ginge nicht um die immanenten Ziele der Bildung,  Gesundheit und der sozialen Sicherheit, sondern um pure ökonomische Rationalität.  Die "reformierten" Bildung, Gesundheit und das Soziale sind nicht mehr zu erkennen, Sie verwandelten sich in computergesteuerte und kontrollierte Verwaltungsmaßnahmen, bei denen nicht mehr die Lehrer, Ärzte, und Sozialarbeiter sondern Informatiker, Ökonomen und in ihren Diensten stehende Politiker das Sagen haben. Die Ärzte, Lehrer, Sozialarbeiter existieren nur, insofern sie als Anschlüsse auf die entsprechende Software funktionieren.  Der Arzt z. B., ist kein Arzt mehr, der der Krankheit eines Menschen, bzw. Widerherstellung seiner Gesundheit verpflichtet ist, sondern ein Punktesammler nach der Richtlinien des Gesundheitsministerium, das bestimmt (nicht medizinisch, sondern ökonomisch) wie der Patient zu behandeln ist.

 

 

Der Staat muss die Mittel für Erfüllung seiner Verfassungsaufgaben aufbringen. Ersparnisse in diesem Bereich bringen die Minderung an Bildung, an Sicherheit, an sozialen Frieden usw. Rechtlich gesehen ist jeder Staat verpflichtet seine Aufgaben zu erfüllen, es gehören dazu Bildung, Sicherheit, Gesundheit usw. Abstrakt, rein ökonomisch gesehen, sind es keine Ziele sondern Kosten.

 

Ohne geistige Bestimmungen ist der Mensch nur ein Naturwesen. Sein menschlicher Wille wird zu "an sich" Bestimmungen reduziert, zu den Naturtrieben und Bedürfnissen, in denen sich der denkende Wille als bestimmt vorfindet. Er bleibt natur- d.h., fremdbestimmt, also nicht für sich als denkendes, selbst bestimmendes Lebewesen existierend. Andererseits bilden seine Naturbestimmungen eine notwendige Bedingung dafür, dass er sich als geistiges und wollendes Lebewesen überhaupt entwickeln kann. Als Naturwesen unterliegt der Mensch den Notwendigkeiten, die sein biologisches Überleben sichern, als denkendes Lebewesen gehört er aber dem Reich der Freiheit an, von dem aus er seine Pläne, Ideen, Gefühle verwirklichen kann. Der eigentliche Stolz der europäischen Kultur berührt darin, dass sie Bedingungen geschaffen und rechtlich garantiert hat, die den Menschen der Naturnotwendigkeiten entreißen und ihm die Entwicklung als freies, geistiges Wesen ermöglichen. Natürlich handelt sich hier nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch von Natur und Geist, wenngleich die Proportion des Zeitaufwands, der für Lebenserhaltung notwendig ist zugunsten der Zeitaufwands, der der Mensch für seine freie Entwicklung aufwenden kann, sich ändern soll. So liegt der Unterschied zwischen dem römischen Sklaven und dem Gesinde aus 19. Jh. nach Hegel, nicht in der Härte der zu verrichteten Arbeit, sondern in der Unbeschränktheit oder Beschränktheit der Existenz-Zeit, die die betroffenen für Erhaltung ihres Lebens anwenden, d. h., ihren Herren, bzw. ihren Arbeitgebern zur Verfügung stellen müssen. Wird die ganze Existenz-Zeit für die pure Erhaltung des Lebens verwendet müssen, dann handelt es sich um eine Sklavenexistenz.

§67. "Von meinen besonderen, körperlichen und geistigen Geschicklichkeiten und Möglichkeiten der Tätigkeit kann ich einzelne Produktionen und einen in der Zeit beschränkten Gebrauch von einem anderen veräußern, weil  sie nach dieser Beschränkung ein äußerliches Verhältnis zu meiner Totalität und Allgemeinheit erhalten". S. 144.

Durch die Veräußerung meiner ganzen durch die Arbeit konkreten Zeit und der Totalität meiner Produktion würde ich das Substantielle derselben, meine allgemeine Tätigkeit und Wirklichkeit, meine Persönlichkeit zum Eigentum eines anderen machen." S. 145.

Ein nicht berücksichtigter Aspekt der Sache bleibt, dass das Quantum der zur Verfügung stehender Zeit physisch begrenzt ist. Ich kann nur dann verhandeln, wenn  ich überleben kann. Wird die ganze zur Verfügung stehende Zeit für Lebenserhaltung verwendet, dann ist es Existenz eines Sklaven. Sogar nicht eines Gesindes. Um soziales Minimum zu erhalten, nimmt der Arbeitslose jede, durch die Herren von Arbeitsamt bestimmte Tätigkeit an. Er muss ihr den vollen Umfang seiner Zeit widmen. Deswegen hat er auch keine Perspektiven, aus dieser Lage herauszutreten. Keine zeitliche, weil er Zeugnisse der Berechtigung seiner Arbeitslosigkeit ständig aktualisieren muss, keine Geistliche - weil er deprimiert und zum entwürdigenden, ihm fremden Tätigkeiten gezwungen wird, keine materiellen, weil das Erworbene für Lebenserhaltung aufgeht.

 

Das ist die erstaunliche Blindheit in Hegels Rechtsphilosophie; bei Entäußerung meines ursprünglichen Eigentums, des Körpers wird nur darauf geachtet, dass es auf bestimmte Zeit und nicht überhaupt geschieht. Wie viel ich von der meiner Existenz in der Zeit opfere, sei Gegenstand des Vertrags, in dem zwischen gleichrangigen Partnern verhandeln wird. Dass meine daseiende Existenz, die wirkliche Existenz, immer in der Zeit verläuft, höchstens 24 St. pro Tag zur Verfügung hat, kümmert den sonst scharfsinnigen Philosophen wenig. Wenn ich gezwungen bin, von dieser Zeit z. B. 16 St. für meine Lebenserhaltung abzugeben, dann bin ich genauso ein Sklave, wie in Rom.

Wird von dem Tageszeit die Schlaf-, Essen-Zeit abgerechnet, dann bleibt dem Menschen nicht viel mehr als seine Arbeitszeit übrig. Im Fall der Dauerarbeitslosen, die ein soziales Minimum bekommen, ist die Drohung der Kürzung der Bezüge eine existentiale Erpressung. Sie sind gezwungen, alles zu tun, um das Minimum zu erhalten.  In diesem Sinne erscheint die Pflicht ein Euro-Job, das eine Vollzeitbeschäftigung ist, anzunehmen, als nichts anders als eine Erzwungene Entäußerung der ganzen Lebenszeit, mithin als moderne Sklaverei.

 

Ein 1€ - Job, zwingt den Betroffenen fremde Tätigkeit für die Lebenserhaltung in seiner ganzen zur Verfügung stehenden Arbeitzeit auszuüben. Für seinen freien Willen bleibt keine Zeit wirklich zu werden. In diesem Zusammenhang wäre ein Witz über die Gleichheit der Vertragspartner zu reden. Auf einer Seite steht der neoliberal geschulte und bezahlte Staatsapparat, auf der anderen stehen einzelne mittelosen Menschen, denen man noch mit Kürzungen, die für sie konkret Wohn-, Essen- und Schlafentzug bedeuten, droht.  Dieser Staatsapparat schikaniert die Menschen so weit, dass sie sogar in der Pflicht sind, ihre Zeit nicht für die wirkliche Arbeitssuche, sondern für die Pflege ihrer Arbeitslosigkeit zu verwenden. Sie werden für die von der Gewinngier verursachte gesellschaftliche Misere verantwortlich gemacht.  Die Menschen werden als Sklaven, dazu noch als Faulpelzen behandelt; sie dürfen ihren Wohngegend nicht verlassen, sie dürfen nicht in den festen Beziehungen leben, sie dürfen zu jeder Tätigkeit gezwungen werden.

 

Dabei hätte jeder als ausgebildeter Arbeiter oder Akademiker (ausgebildet und willig) sein soziales Minimum gern selbst verdient, Es wäre ein Ausdruck der sozialen Gerechtigkeit, dass der Staat jedem und nicht den privilegierten seine Existenz, als das was er geworden ist, garantiert. Man soll nicht für 1€ arbeiten, sondern zu gewöhnlichen Lohn in jeder Brange, aber nur solange, bis man das soziale Minimum erreicht hatte.

Arbeitslos sind nicht nur die faulen und ungebildeten, sondern Akademiker und Arbeitwillige. Entscheidender Faktor der Erniedrigung ist, dass der Dauerarbeitlose keine Rechte hat, dass er gezwungen ist, alle Schikanen der Arbeitsagentur für seine Lebenserhaltung auf sich zu nehmen.

Die Kürzungen des sozialen Minimums gehen in das Persönliche und in das Private. Es wird vorgeschrieben und entschieden, was und wie viel jemand zu essen bekommt, welche Beziehung er mit anderen Menschen antreten darf, wo und wie er seine Freizeit gestaltet. In dem für Computer vorgeschriebenen Lebensablauf eines Arbeitslosen ist er nur als Kostenfaktor erfasst. Ökonomisch und verwaltungsmäßig lässt sich an Hand dieser Programme über weitere Kostenersparnisse spekulieren. Man vergisst, dass die Spekulationen das soziale Minimum betreffen und dass sie direkt ins Leben umgesetzt, eine Entwürdigung sogar eine Vernichtung  der Existenz bedeuten.

Die ergriffenen Maßnahmen werden immer Peinlicher, unwürdiger, lächerlicher. Die Verwaltungsherren planen so etwas, obwohl sie es anders in der Verwaltungssprache nennen, wie Arbeitslager und Arbeitskolonnen und Arbeitsappells, wie allgemeine Anwesenheitspflicht, wie Beziehungsverbote und Kontrollen.

 

 

Die neoliberallen Unternehmer sind einfach primitive, geldgierige Menschen, nichts mehr und nicht weniger. Alle anderen Eigenschaften, wie Verantwortung, Patriotismus werden ihnen von den Medien und Politik beigelegt. Sie schafften es, den ganzen Staatsapparat zu unterwandern und sich dienlich zu machen. Produktivität, Konkurrenzfähigkeit, Konjunktur sind die Begriffe, die diese Geldgier erfolgreich verschleiern. Die Kapitalisten und ihre Manager schmarotzen  an dem vorhandenen Staat als ob er nicht ein schwer erkämpftes Resultat des Kampfes zwischen der Kultur und der unverschämten rücksichtlosen, menschenverachteten Macht- und Geldgier wäre.

 

Was ist der Staat heute? Als Zwangsanstalt, wurde er immer durch die Revolutionäre und Anarchisten aller Art bekämpft. Aber als solche treibt er die Einzelnen zur Menschlichkeit trotz aller Egoismen und trotz aller Willkür. In den staatlichen Institutionen objektiviert sich doch die menschliche Freiheit und Vernunft. Erst in dem Staat ist der Mensch als Bürger da, als Gebildeter, als Rechtsperson. Außerhalb der Rahmen einer politischen Gemeinschaft ist er nur ein biologisches Wesen, ein bedürftiges Kapital. Die politischen Parteien wetteifern um die Aufgabe, ihre Programme unkenntlich (in Bezug auf die politische Ziele inhaltslos) zu machen, damit sie ungehindert die privilegierten Diener des Kapitals werden können. Weniger Staat bedeutet weniger Freiheit und weniger Vernunft. 

Der Staat, samt seiner Institutionen ist unter anderem  auch ökonomische Größe, d. h., von dem Standpunkt der Unternehmer, in Bezug auf ihre Profite nur ein Kostenfaktor. Metaphysisch gesehen ist der Staat eine Verwirklichung der Freiheit und der Vernunft. Seine Organe: Arbeitsamt, die Sparkassen, die politischen Parteien haben andere satzungsgemäße Aufgaben als die, der Profitgier der Aktionäre, Beamten und Banker zu dienen. Sie verraten also ihre eigene Satzung, handeln satzungswidrig, sie dürfen sogar deswegen angeklagt werden. Natürlich verraten sie auch diese Ideale, die zu ihrer Bildung führten und die Menschen, die sie gegründet hatten.

 

Hat der Staat das Recht dazu, in das Marktgeschehen zu intervenieren?

 

Natürlich. Wenn die geldgierigen Wirtschaftspleyer ein Recht haben, die Existenz von Millionen seiner Bürger, damit zugleich das Wesen des Staates wegen der Profitmaximierung zu zerstören, dann muss sich der Staat vor seinen Feinden auch währen können. Er muss in der Lage sein, den Menschen würdige, ihrer Ausbildung und Fähigkeiten gemäße Tätigkeiten, durch die Einbindung in die vorhandene oder durch die Schaffung neuen staatlichen Institutionen, wenigstens in diesem Umfang anbieten, dass sie ihr soziales Minimum selbst verdienen können. An dieser Stelle treffen sich die Pflichten des Staats mit den Rechten der Arbeitlosen zusammen. Der Staat verschwendet nicht seine Mittel in der Pflege perspektivlosen Arbeitslosigkeit, sondern garantiert, wenn auch im minimalen Umfang, eine würdige, der Bildung und dem Willen der Menschen gemäße berufliche Tätigkeit, die anzunehmen, als Pflicht gelten darf. 

Unter der entlassenen Menschen eines Konzerns oder einer Versicherung finden sich die fähige und gebildete Menschen, auch die Investoren, die für "nur anständige" Löhne und Profite bereit zur Tätigkeit wären. Der Staat, Arbeitsamt, die Sparkassen, die Gewerkschaften sollen für so ein Unternehmen die notwendigen Rahmenbedingungen sorgen.

Auf solche Weise hätte der Staat aus den bisherigen perspektivlosen Ausgaben eigene Gewinne, und durch die eigene Staatsökonomie, die nicht auf Profitmaximierung, sondern auf die Erfüllung eigener Verfassungsausgaben gerichtet ist, Ansätze für eine andere dauerhaft funktionierende Wirtschaft, die den globalen Wirtschaftspleyer eine echte Konkurrenz bietet, geschafft.

 

 

Finanzkrise als Globalkrise

 

Die Mentalität, oder die Denkweise, die wir Globalisierung nennen, umfasst alle Bereiche der menschlichen Tätigkeit und jeden Bereich derer im Ganzen. Sie lässt sich bestimmen als die Jagd auf die höchsten Gewinne in allen Bereichen insgesamt und in jedem Bereich im einzeln. Dadurch, dass ein einziger Antrieb, nämlich die Gier auf die höchsten Profite, jede menschliche Handlung leitet, haben wir es mit einer globalen Denkweise zu tun, die jegliche andere Zielsetzung entwertet, weil sonst, eine konkurrierende Denkweise zugelassen werden müsste, d.h., die Globalisierung nicht global wäre. Werden alle Lebensbereiche des Menschen zu Lieferanten der höchsten Gewinne reduziert, dann verlieren sie ihre inhaltliche Zielsetzung und Eigenständigkeit. Keiner von ihnen besitzt noch eigenen Wert, Sinn und Ziel. Sogar die öffentlichen Aufgaben dienen für private Agenturen und Beraterfirmen als Gewinnquelle aus Steuergeldern für angebliche Reformen, für Kostenreduzierung und Optimierung. Egal woher und auf welche Weise erreicht, zählt nur der Profit. Die Wege des bewusst veruntreuten oder des zum Spielgeld gemachten Geldes sind jedoch zu verfolgen, etwa auf die gleiche Weise, wie die Polizei Raubgeld sucht und verfolgt. Im Wirrwarr der Finanzmärkte verlieren sich der Ursprung des Gewinns und die Methode seines Erwerbs. Fast zur Unkenntlichkeit verändert werden sie auf dem so genannten zweiten Kapitalmarkt, der nur mit Geldprodukten (Optionen, Derivaten, Aktien) handelt, jedoch am Ende wahres Geld für die Gewinner in solcher überschwänglicher Menge auszuspuken verspricht, dass er alle, sogar die kleinsten Geldbesitzer zu gierigen, risikoblinden Kapitalisten macht. Wenn aber sich eine bedeutende Zahl der Bürger zu den Aktienbesitzern der Risikofonds rechnet, dann geht die Solidarität der Gesellschaft abhanden. Dann bedauert man zwar einerseits, dass die Arbeitsplätze verloren gehen, zugleich aber hofft man auf die schnelle Gewinne, die die Abschaffung von Arbeitsplätzen zustande bringt. Die Globalisierung könnte nur durch diese Verunstaltung aller Lebensbereiche zum gewinnbringenden Finanzfaktor ihre globale Macht erreichen.

Krise der Globalisierung ist eine Globalkrise wieder im doppelten Sinne. Zum ersten ist sie eine Weltkrise und zweitens, da die gesamte Politik, die Wirtschaft, das Gesundheitswesen, die Bildung auf Finanzen gestellt, zur Finanzfrage reduziert, durch Finanzerfolge gemessen wurden, erscheint die Globalkrise zuerst als Finanzkrise, die obwohl zeitlich verschoben, aber in einem, eine wirtschaftliche, eine politische und eine mentale Krise bedeutet.

 

Die zeitliche Verschiebung der Erscheinungen der Globalkrise heißt nicht unbedingt, dass die Folgen in anderen Bereichen erst später antreten, weil die Vernichtung ihrer Selbständigkeit die eigentliche Voraussetzung des Siegeszuges der Globalisierung bildet. So hat die Umstellung der Banken, der Sparkassen, der Krankenkassen, der Schulen, der Arbeitsämter auf die Kostenreduzierung und auf die Bedürfnisse der Wirtschaft stattgefunden, ehe die ersten Anzeichen der Finanzkrise geahnt wurden, im Gegenteil, die letzten Bastionen gegen die Globalisierung wurden dargestellt, als die Kostenfaktoren und die Ursachen der möglichen Krise. Zu dieser Verstellung von Wirkung und Folge, zur Reduzierung der metaphysischen und verfassungsmäßigen Ziele des Staates und der Gesellschaft leisteten die Intellektuellen, Philosophen und Politiker einen nicht unwesentlichen Beitrag.

 

Über den Wert des Geldes in jedem Land entscheiden die Kosten des Überlebens des Menschen, nämlich eines Arbeitnehmers, genauer die Kosten der Wiederherstellung seiner Arbeitskraft. Wenn Milliarden in die Finanzen und in die Wirtschaft reingepumpt  werden, dann verändern sie den Bezug der Menge des Geldes zu dem Warenangebot. In demselben Verhältnis muss sich der Bezug des Sozialminimums zu dem notwendigen Lebensmittel für die Lebenserhaltung verändern, also steigern muss. Ist nicht dieser Punkt ein einziger wirklicher Bezug des Geldes zu dem Warenangebot? Nur diesen lässt sich nicht beliebig verändern, weil die Lebensmittelportionen sich nicht beliebig kürzen lassen.  Steht jedoch das Sozialminimum in keinem Verhältnis zu den Spitzengehälter der Manager, dann lässt sich die Gesellschaft überhaupt und die Wirtschaft insbesondere nicht friedlich und rationell steuern. Die prozentuellen Kürzungen, bzw. Erhöhungen der Bezüge haben dann keinen Sinn. Die Lebensmittel sind auch Produkte, deren Herstellung entsprechende Kosten verursacht und die entsprechenden Gewinne bringen muss. Nur in gewissen Grenzen lassen sich die Subjekte der Wirtschaft in dieser Hierarchie verschieben. Zu diesen unreduzierbaren Subjekten zählen die Staaten, gesellschaftliche Institutionen, Familien und Individuen, die ihre rechtliche und wirtschaftliche Geltung meist schwer erkämpft hatten. Deswegen sind die Fehler und rücksichtslose Handlungen der Manager keine Kavalierdelikte, sondern grundsätzlich niederträchtige, wenn nicht kriminelle Handlungen, die man mit Namen nennen muss. Zu solcher Verurteilung fehlen uns leider die Kriterien und Berechtigung, weil wir Jahrzehnte lang der politischen, sozialen und moralische Demontage der Gesellschaft zugeschaut hatten in der Hoffnung, dass ihre Folgen nicht uns treffen werden. Die schwer erkämpften sozialen und politischen Errungenschaften der Gesellschaft gründeten in einem metaphysischen Menschenideal, im Glauben an eine überzeitliche Weltordnung, in der Aufopferung der Generationen für die Verwirklichung der Menschenrechte in Verfassungen und Institutionen. Diese in einem metaphysisch-christlichen Weltbild begründeten Werte wurden dem postmetaphysischen Diskurs überlassen, zerredet, den aktuellen Interessen der Gesprächpartner preisgegeben. Die „kleinen“ kurzlebigen Erzählungen der Pseudointellektuellen ersetzten die „große“ Erzählung der Menschheit. Dadurch wurden die philosophische Dummheit, die Amoralität, Gier und Betrug in der Öffentlichkeit, Medien, Wirtschaft und Politik salonfähig. Unter gleichberechtigten kleinen Erzählungen zeichnete sich die neoliberale dadurch aus, dass sie den schnellen machtpolitischen und finanziellen Erfolg ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verluste rechtfertigte.

 

Globalisierung betrifft die ganze Erde und alle Bereiche der menschlichen Tätigkeit auf dieser. Betroffen durch die rücksichtslose Kommerzialisierung sind nicht nur die entfernsteten Regionen der Welt, sondern auch diese Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die sich scheinbar jeder Kommerzialisierung entziehen. Nach der Reformen, die die Handschrift der Beratungsfirmen tragen, werden die reformierten Institutionen ein Teil der globalisierten Wirklichkeit; so ist dem Arbeitsamt, dem Bildungs- und Gesundheitswesen ergangen.

 

Nicht die philosophischen, ethischen oder politischen Argumente treffen die gierigen und rücksichtslosen Manager, sondern ausschließlich die ökonomischen. Alle anderen werden nur als Vorwände von ihnen benutzt, um ihre Gewinngelüste vor der Öffentlichkeit zu verschleiern. Lediglich die Konkurrenz der anderen ökonomisch tätigen Subjekte kann ihnen Paroli bieten. Zu diesen möglichen Konkurrenten zählen nicht nur andere Wirtschaftssysteme, wie der zum Glück zusammengebrochene Kommunismus, sondern vor allem die innere Konkurrenz, nämlich von diesen Subjekten, die nicht ausschließlich profitmaximierend ausgerichtet sind. Leider haben die hier gedachten Subjekte meistens ihren Status, als Selbsthilfe – Kassen und Vereine verloren. Im Zuge der Neoliberalisierung sind sie bereits selbst Banken geworden, die um die höchsten Gewinne mit kommerziellen Instituten wettlaufen. Dabei wäre zu fragen, ob sie nicht ihre Satzung verraten hatten? Ähnlich haben die kirchlichen, gewerkschaftlichen, genossenschaftliche Institutionen und Vereinigungen versagt. Hätten sie alle ihren Satzungen gemäß gehandelt, schüfen sie wenigstens eine Alternative zu dem wilden Kapitalismus. Solange sie ihre Ziele konsequent verfolgt hätten, wären diese Ziele in solchem Maß verwirklicht, in dem sie eine gesellschaftliche und ökonomische Kraft darstellten.  In diesem Fall könnte keine Rede sein von der Kommerzialisierung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, weil der Staat und die Selbsthilfe-, Bildungs-, und Gesundheitsvereine grade ihre Statutziele in erster Linie in ihrer Zielsetzung realisiert hätten. Gewinne zu erwirtschaften sollte doch für sie den zweiten, wenn nicht noch einen weiter entfernten Rang besitzen. Es soll dabei nicht die vollständige Ersetzung der kommerziellen Wirtschaft durch die oben geschilderte Alternative erreicht werden. Sie soll wenigsten in diesem Maße stattfinden, dass die Arbeitslosigkeit verschwindet. Über diese Rückkehr zu der wert- und zielorientierten Politik lässt sich gar nicht im neoliberalen, postmetaphysischen Jargon reden. Deswegen ist es in Deutschland unmöglich, dass ein junger charismatischer Mann, wie in USA Barak Obama, die Wahlen gewinnt. Es fehlen nicht nur Wähler, sondern auch Kandidaten. Alle möglichen sind durch Parteischulen und durch neoliberale Bildung einheitlich verblödet worden. In dieser Hinsicht unterscheidet sich lediglich Angela Merkel von ihnen, weil sie das Glück hatte, keine neoliberale Bildung genossen zu haben.

 

 

Der Sozialstaat ist nicht zu teuer, sondern Finanzierung des Wettlaufs um die höchsten Gewinne. Nach Lenin bestand das größte Problem der Bekämpfung des Alkoholismus in Sowjetunion in dem Alkoholismus unter den Inspektoren, die zu seiner Bekämpfung eingesetzt wurden. Dieselben Menschen, die gestern die Finanzkrise verursacht hatten, sollen uns heute aus der Krise retten. Um den Rest des Sozialstaates zu erhalten, sollen wir uns hüten, den Umtausch des erfundenen Spielgeldes der Not-leidenden-Banken in das wirkliche Geld mit den Steuergeldern zu finanzieren.

 

 

 

Die neuen Herren über das Leben –

und den Tod

von Marek Zmiejewski

Über die wichtigsten Tatsachen seines Lebens soll jeder Mensch selbst entscheiden. Seine private Angelegenheit ist es doch, was er isst, was er trinkt, mit wem er verkehrt, sogar das, was er denkt. So selbstverständlich, wie dieser Satz klingt, bedarf er jedoch einer Einschränkung, um allgemein akzeptiert zu werden, nämlich insofern es den anderen nicht stört und nicht schadet. In jedem Rechtsstaat werden die Verbote und Gebote diesbezüglich einheitlich für alle geregelt. Je nach seiner Möglichkeit macht jeder aus seinem Recht gebrauch, ohne sich um die ausdrückliche Rechtsbegründung für alle seine Handlungen im Rahmen des Erlaubten und von allen Anerkannten zu kümmern. Es gelten die Regeln der Anständigkeit, der gegenseitigen Rücksichtnahme, der Selbstverständlichkeit, die durch die meisten Mitbürger akzeptiert werden und deren Erfüllung von den anderen erwartet wird. Man beklaut doch nicht eine alte Dame nur deswegen, weil niemand es gesehen hätte.

Es gibt jedoch Nischen, die nicht nur von Verbrechern und Halunken, sondern auch von „anständigen“ Bürgern benutzt werden, besonders dann, wenn sie über ein Quantum Macht verfügen und straffrei handeln können. Dabei tragen ihre Handlungen sogar den Schein des Rechts. Denn sie handeln im Auftrag der Allgemeinheit, der es suspekt erscheint, dass ein Teil keinen Beitrag für das gemeine Wohlhaben leistet, im Gegenteil, unverdient und genüsslich davon zu schöpfen scheint. Diesem Treiben soll ein Riegel vorgeschoben werden. Jeder kann und soll leben und überleben, jedoch nicht umsonst. Er soll dazu ein spürbares Quantum an Mühe aufbringen, so wie wir alle. Um dieser Mühe willen wurde ein Apparat geschaffen, für den der Staat sechzehn Milliarden Euro jährlich aufbringt, der aufpasst, ob jemand über freie Zeit verfügt, ob er „umsonst“ überlebt. Hunderttausende Beamte und Angestellte sind mit dem Bewachen, Kontrollieren und Umschulen beschäftigt und werden dafür bezahlt, dass sie lückenlos die Lebenszeit des Arbeitslosen bestimmen.

Sie verhalten sich wie die privilegierten Zuschauer von Gladiatorenkämpfen. Ein Wink, - der Daumen zeigt nach unten, bei allen denen, die um Gunst des Kaisers werben, weil sie glauben, dass der Herr, von dem sie abhängig sind, dies erwarte. Eigentlich dürfte man auch nach oben zeigen, aber dadurch riskiert man, in die Ungnade des Herrn zu fallen, mit allen unangenehmen Folgen. Bei den heutigen Dienern des Arbeitsamtes ersetzt ein Fingerdruck auf die Tastatur den Daumenwink. Man braucht gar nicht nachzudenken, eine Taste wird gedrückt, und unsere alte Dame bekommt die Zuweisung zu einem „Eineurojob“. Die eigene Leistung des Fallmanagers besteht in der Eingabe des Namens der betroffenen Person in die fertigen Formulare, weil die restlichen drei Seiten, die das Arge-Computerprogramm automatisch ausspuckt, nur die Androhung der Kürzungen von Sozialleistungen beinhalten. Je öfter gedrückt und gedruckt wird, umso größere Leistung wird erbracht. Jeder Fingerdruck verbessert die Statistiken. Man irrt sich gewaltig, wenn man glaubt, dass die Zuweisung schon ein Job bedeutet. Zugewiesen wird man zu einem Job-Center. Dort muss man die Orientierungsphase durchstehen und verschiedene Eignungsfeststellungen durchlaufen. Die Job-Center verfügen selbst über keine Arbeitsstellen, aber sie erteilen Zertifikate, stellen Qualifikationen fest, erstellen Eignungsprofile usw.. Wie an der Börse entstehen neue Produkte und neue Erfolge. Die meist jungen, in den Computerkursen geschulten Mitarbeiter qualifizieren einheitlich Hochschulprofessoren, Ärzte, Facharbeiter, Jugendliche, Säufer, Ausländer und Deutsche. Durch einen Fingerdruck schickt man jemanden für ein halbes Jahr in die Sklaverei. Dass das keinen Sinn hat, spielt keine Rolle. Die Frisöre werden zu Anstreichern umgeschult, die Anstreicher zu Frisören. Unsre alte Dame wird zum Kochkursus geschickt. Akademiker sollen mit den Säufern integriert werden. Der Angestellte des Job-Centers hat ein sauberes Gewissen, er integriert, schult um, zwingt die Schmarotzer zum Arbeiten. Seine Entscheidungen werden nicht geprüft, die Menschen – seine Opfer - sind so erniedrigt, denn hier geht es um ihre pure Existenz, dass sie nicht protestieren. Sie vergeuden ihre Zeit mit sinnlosen Beschäftigungen, die überhaupt keine Perspektive für die Zukunft bieten. Danach werden sie gar nicht gefragt. Sie sind Versager und basta. Sie leben auf Kosten der anderen. Dabei werden alle Regeln der Anständigkeit mit Füßen getreten, es wird nicht nach der Ausbildung, nach der erbrachten Arbeit oder nach der persönlichen Situation gefragt. Die offiziell großgeschriebene Bildung wird grade verspottet. Die Entscheidungsträger sind meistens selbst ungebildet, ihre einzige Bildung und die Moral, mit der sie die Menschen behandeln, erhalten sie in den Kursen zur Bedienung des Computerprogramms von ARGE. Diese Ausbildung ähnelt der von „Bankiers“, die der Gesellschaft ihre „Bankprodukte“ ohne Rücksicht auf Verluste darboten. Genauso rücksichtslos verteilen die Fallmanager von Arge Produkte ihres neoliberalen Programms an die Menschen. Es geht nicht darum, jemandem in seiner persönlichen Not zu helfen, sondern darum, ihm eine der vorprogrammierten Rollen zuzuordnen. Die Begründung, obwohl es sich um die Entscheidungen von existentieller Tragweite handelt, wird nicht mitgeliefert. Es genügt ein Computerausdruck. Verweigerung bedeutet Kürzung des sozialen Minimums. Daher stammt die ungeheure Macht, die diese Beamten ausüben, und die demütige Haltung der Befehlsempfänger. Eine Krankenschwester, die vierzig Jahre Berufserfahrung nachweisen kann, wird von einem zwanzigjährigen „Mädel“ quasi zur Sau gemacht. Kein Wunder, dass die Menschen nach einer solchen Behandlung Angst vor ihrem Arbeitsamt haben. Niemand, der diesen Leidensweg durchgangen hat, erwartet von ihm Hilfe bei der Arbeitssuche. Ängste, Alpträume vor der Arbeitsgemeinschaft sind die Folgen. Der Öffentlichkeit werden die so genannten Erfolge präsentiert - hunderttausende Menschen verschwinden aus der Arbeitslosenstatistik. Wo sie landen, unter welchen Bedingungen und zu welchem Preis, geht die Öffentlichkeit und die Politik nichts an. Auch das nicht, dass die Arge nur sich selbst, und die ihr unterordneten Strukturen bedient. Sie ist zum größten Arbeitsgeber für ihre Angestellten und für die Mitarbeiter von verschiedenen Job-Centern und Umschulungsagenturen usw. geworden. Sie hat interne Kriterien aufgestellt und brüstet sich selbst damit, sie zu erfüllen. Durch die Unterordnung der Millionen von Arbeitslosen unter diese Kriterien hat sie für die Öffentlichkeit den Schein erweckt, dass sie den Arbeitsmarkt fest im Griff hat. Kein Wunder also, dass die Qualitätskontrolle, Kontrolle der Kontrolle, nur Erfolge vermeldet. Diese Erfolge, die den Fingerabdruck von Beraterfirmen wie Berger, Mc Kinsey und Co. tragen, haben in Wirklichkeit genauso viel wert, wie die so genannten „Bankprodukte“ der Globalisierung, faulen Kredite und „Bad Banks“.

Die Harz IV Reformen erwiesen sich in Bezug auf ihre Zielsetzung, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, als ein Totalflop. Statt Arbeitsplätze zu vermitteln, zwingen sie Hilfsbedürftige zu sinnlosen Tätigkeiten, Schulungen, und Eignungsprüfungen, die in Menschen illusorische Hoffnungen wecken, dass ihre Chancen auf Neuanstellung steigen. Schon die Namen dieser Institutionen, wie Job-Börse, suggerieren, dass sie Jobs vermitteln, oder wenigstens etwas mit Arbeitsvermittlung zu tun haben. In Wirklichkeit handelt es sich um die Beraubung jeglicher Selbständigkeit des Arbeitslosen durch Aufstellung von neuen Hürden für Erhalt von Sozialleistungen unter ständiger Androhung ihrer Minderung. Verfällt man aber dem Neudeutsch dieser Reformatoren, dann hat man es nur mit Erfolgen zu tun. Das Konzept von ARGE - insgesamt vollkommen sinnlos – erscheint jedoch in sich selbst und nach außen als eine zwar mühselige, aber durchaus erfolgreiche Tätigkeit.

Der Weg zum Erfolg der neoliberalen Arbeitsagenturen ist dem von totalitären Systemen auffallend ähnlich. Sowohl diese wie jene verwenden zur Entsolidarisierung und Beherrschung der Gesellschaft ähnliche Mittel. Wodurch unterscheidet sich der Entzug von Lebensmittelkarten in einem kommunistischen System von der Kürzung des Sozialminimums in einer freien kapitalistischen Gesellschaft? In den beiden Fällen fehlen dem Menschen die Scheine, um zu überleben. In beiden Fällen sind die Menschen übermüdet, gedemütigt, und rechtlos. In beiden Fällen werden die Betroffenen gezwungen, sinnlose Schikanen zu ertragen unter dem Applaus der betrogenen und sich betrügenden Öffentlichkeit. Beide Systeme erreichen ihre Vollkommenheit, wenn die Betroffenen sich selbst bedienen. Statt eine stehende Armee von Aufseher von außen zu beschäftigen, genügt es, den Arbeitslosen selbst die befristeten Kontrollaufträge zu erteilen. Sie werden gehorsam und fleißig ihren Auftrag erfüllen, weil so tief, wie sie mal waren, möchten sie nie mehr fallen.

 

Vortrag: Verhältnis zwischen Philosophie und Wirtschaft

Nichts scheint einfacher zu sein, als das Verhältnis zwischen Philosophie und Wirtschaft darzustellen. Sind doch beide Begriffe und ihre Bedeutung seit mehr als zweitausend Jahren bekannt. Sie entstanden im 4. Jh. v. Chr. im antiken Griechenland und benennen eigentlich die Bereiche des Öffentlichen und des Privaten.

Im Oikos (Haus) entwickelt sich der Mensch und sichert sein biologisches Überleben. So ist ursprünglich die Ökonomie eine Lehre vom Haushalten und Besorgen des Menschen als eines Natur bestimmten Lebewesens. Der Mensch existiert jedoch nicht nur für sich und seine Nächsten in einer Naturgemeinschaft, sondern mit den anderen Menschen in einer von ihm geschaffenen Gemeinschaft (Polis), die durch den Logos bestimmt ist.

In jener herrscht die Ungleichheit der Naturbedürfnisse, in dieser Gleichheit der Wesensbestimmung des Menschen als vernünftigem Lebewesen. Der Mensch realisiert seine Wesensbestimmung, mithin seine Freiheit, dadurch, dass er nach der Vernunft lebt. Somit erkennt er sich selbst, und erfüllt bewusst seine Wesensbestimmungen, indem er nach der Wahrheit sucht, indem er die Offenheit der Ideen im Denken pflegt, in dem er dem Logos horcht, - im Allgemeinen - indem er philosophiert.

Auf diese Weise ergänzen sich die Ökonomie – als eine Wissenschaft des Privaten, des Einzelnen, des durch Neigungen, Affekte und Bedürfnisse bestimmten Menschen - mit der Philosophie – als der Wissenschaft der Vernunft, der Freiheit, der Selbstbestimmung. Im Sprachgebrauch Kants bleibt der Mensch Bürger zweier Welten: der Sinnlichkeit und der Vernunft. Wobei, „ehe sich bei ihm die Vernunft zur Spekulation erweitert“,er sich sinnlich, naturhaft, auch ethnisch und sozial bestimmt in der Welt vorfindet. Er kann sich entweder mit dem, was ist, abfinden und versuchen, es zu seinem Besten einzurichten oder der Vernunft gehorchend, danach trachten, sich selbst und die Welt, wie sie in ihrer Wahrheit sein sollte, aber noch nicht sind, zu gestalten.

So ist die Philosophie immer ein kritisches und forderndes Denken im Bezug auf die Ökonomie, die im Interesse des Vorhandenen zu handeln lehrt.

Ein flüchtiger Blick auf die Geschichte des Denkens reicht jedoch, um uns vor neue Schwierigkeit zu stellen. Wir haben nicht mit einer Philosophie und nicht mit einer Ökonomie zu tun, sondern mit vielen ihrer geschichtlichen Gestalten. Eigentlich bietet uns jede Epoche der europäischen Geschichte sowohl eine eigene Philosophie als auch eine eigene Ökonomie dar. Beide Denkweisen, die philosophische und die ökonomische, stehen nicht gleichgültig nebeneinander, sondern fördern sich gegenseitig.Indem die Philosophie der Ökonomie folgte und eine Rechtfertigung für die vorhandene Wirtschaftsweise bot, war sie eine Ideologie der Herrschenden, egal ob sie antike Sklavenhalter, mittelalterliche Feudalherren oder moderne Kapitalbesitzer waren. Indem sie aber gemäß ihrer eigenen Aufgabe nach dem menschlichen Sinn ihrer Zeit suchte, enthüllte sie die herrschenden Verhältnisse als unmenschlich, ungerecht, unwürdig. Bei unserer Fragestellung geht es weniger darum, ob das Ökonomische das Philosophische, in anderer Begrifflichkeit - ob das Sein dasBewusstsein bestimmt oder umgekehrt das Bewusstsein das Sein bestimmt. Es kommt lediglich darauf an, dass zur jeder Zeit beide Denkweisen in einem wesentlichen Verhältnis zueinander standen.

Wenn jede Denkepoche ihre eigene Philosophie und eigene Wirtschaftsweise hatte, dann stellt sich natürlich die Frage, welche Art der Philosophie und welche ihr entsprechende Wirtschaftweise unsere Zeit bestimmen?

Die aufgestellte Vermutung über den geschichtlichen Zusammenhang zwischen der Philosophie und der Ökonomie soll also auch für unsere Zeit nachgewiesen werden. Wir sollen prüfen, ob unsere Wirklichkeit, zum ersten, durch ihre eigene und auf sie beschränkte Denkweise und zum Zweiten, durch ihre eigene ökonomische Handlungsweise bestimmt ist. Die Gefahr dieser Prüfung liegt darin, dass wir die herrschenden Denkmuster, die zu Rechtfertigung der vorhandenen Verhältnisse dienen, übernehmen, statt selbständig zu fragen und zu denken, d. h, statt selbständig zu philosophieren.

Denn die Philosophie fragt nach dem Wesen unserer Wirklichkeit, indem sie das sucht, was sich schon in ihr gezeigt haben musste, damit diese Wirklichkeit, von Heidegger In-der-Welt-sein, von Hegel das Unmittelbare, von Aristoteles das Für-uns-Bekannte und Offenkundige genannt, sich überhaupt als solche zeigen kann. Denn die Erscheinungen erscheinennicht schlechthin, sondern sind Erscheinungen eines Etwas, eines Wesens. Das Wesen hat dadurch die Auszeichnung eines Früheren, eines Vorgängingen, eines Proterons. Aristoteles nennt das Wesen to ti en einai, das was Seiendes schon immer gewesen war. Dem Wesentlichen, dem, was den Sinn des Vorhandenen ausmacht nachzugehen, ist der Weg der Philosophie, Methodos genannt.

Die Methode der Philosophie verlangt von uns eine Umkehrung der Seele, eine periagoge tes psyches. Nicht dem Vorliegenden nachzujagen, um es noch effektiver zu meistern,sondern sich dem Ersten, von wo her alles bestimmt ist, zu zuwenden, schreibt uns die philosophische Methode vor. Und diese ersten Prinzipien, Elemente und Ursachen liegen jeglichem Vorliegenden, jeglichen ontischen, jeglichen Physischen, es bedingend und ermöglichend, davor. Philosophie ist ihrem Wesen nach Meta-physisch, über das vorhandene und physische hinausführend, unabhängig davon, in welcher konkreten Gestalt sie geschichtlich auftritt: "und so ist wirklich in allen Menschen, sobald Vernunft sich in ihnen bis zur Spekulation erweitert, irgendeine Metaphysik zu aller Zeit gewesen, und wird auch immer darin bleiben." - schreibt Kant in der „Kritik der reinen Vernunft" (B 21).

Die Frage nach dem Verhältnis der Philosophie zur Ökonomie gewinnt eine zusätzliche Brisanz in der Zeit, die sich selbst stolz als eine nicht-metaphysische, als eine postmetaphysische bezeichnet. Die Metaphysik, nach unserer Auffassung die Wesensform des philosophischen Denkens überhaupt, so wird behauptet, sei zu Ende gegangen. Damit gewinnt die konkurrierende Denkweise - die ökonomische - ihre uneingeschränkteHerrschaft über alle dem metaphysischen Denken traditionell unterstellten Seinsbereiche. Dieser Vorgang der Umgestaltung des Seienden im Ganzen zu ökonomischen Quanten wird heute Globalisierung genannt.

So ergänzen sich und fordern sich gegenseitig in unserer Gegenwart die Postmetaphysik als die herrschende Gestalt der Philosophie und die nach rein ökonomischen Prinzipien gestaltete Globalisierung als ihr entsprechende Wirtschaftsform. Mit den Begriffen und mit den Werten der Metaphysik, die doch den Sinn, den Wert und das Endziel des ontischen, des Vorhandenen, des Angetroffenen, unserer Welt ausmachten, ist es Nichts. Es gibt keine großen Erzählungen mehr über das Wesen des Menschen, über die Gesellschaft, über den Staat, über die Transzendenz. Das Öffentliche, das Vernünftige, das uns als Menschen angehende – das Politisch-Philosophische - verschwindet aus dem öffentlichen Bewusstsein in dem Maße, in dem das Wissen von ihm - die Metaphysik - in die Vergessenheit verdrängt wird. Statt des uns alle - als Individuen, als Menschen und Bürger einer politischen Gemeinschaft - verpflichtenden Denkens, haben wir es mit privaten Meinungen zu tun, die willkürlich private Interessen ausdrücken und als private „kleine Erzählungen“ untereinander als gleichberechtigt bewertet werden.

Wenn der Mensch und seine Welt keine unreduzierbaren Wesenbestimmungen haben, dann werden menschliche Handlungen und die Gestaltung ihrer Umwelt dem aktuellen Diskurs, der über das Sagen in der Gesellschaft verfügenden Subjekte bereitgestellt. Wahrheit wird mit der Durchsetzungskraft gleichgesetzt. Das technisch-wissenschaftliche Denken macht die Welt zu jeder Bestellung und Nutzung bereit, sie wird zum bestellbaren Ge-stell.

Aus dem ökonomischen Denken verschwinden zugleich die selbständigen Subjekte, die zum Zwecke ihres inhaltlich bestimmten Wohlseins in das Tauschgeschäft auf dem Markt eingegangen sind. Es geht nicht mehr um die Gewinne für die ontologisch autonom bestimmten Subjekte: für den Staat, für die bürgerliche Gesellschaft, für das Individuum, sondern um die höchst möglichen Profite. Mit dem Verschwinden der Subjekte des ökonomischen Handelns verschwindet auch die einzige zugelassene Regulierung des Marktgeschehens, der von Marx genannte Krieg der Habsüchtigen, die Konkurrenz. Eine jeglicher Steuerung beraubte, ausschließlich auf die Profitmaximierung orientierte Wirtschaftsform führt also notwendig in die Krise, die dadurch eine globale Krise sein muss, dass sie die Reduzierung aller Seinsbereiche zu tauschbaren Werten voraussetzt, d.h. ihre Selbständigkeit vernichtet.

Denn die eigentliche Konkurrenz für den wilden Kapitalismus bildeten nicht die kommunistische Wirtschaften außerhalb der westlichen, d.h., durch griechische Philosophie, römisches Recht und Christliche Religion bestimmten Welt, sondern die metaphysisch bestimmten, auf dem ökonomischen Markt einwirkenden Subjekte innerhalb dieser, wie staatliche Institutionen, Krankenkassen, Gewerkschaften, Ersatzkassen, Volksbanken, die nicht die höchsten Gewinne anstrebten, sondern aus verschiedenen metaphysischen Gründen das Wohlsein des Menschen und sein würdiges Leben auf dieser Erde und in dieser Gesellschaft zu verwirklichen suchten.

Leider fielen sie auch zum Opfer des postmetaphysischen Denkens und wurden durch Deregulierungen und rein ökonomischen Reformen ihrer Selbständigkeit und ihrer Zielsetzung beraubt. Deswegen erreichen die Versuche die globale Krise zu meistern, nicht ihre eigentlichen Ursachen, weil diese, wie wir sehen, nicht ökonomischer, sondern der philosophisch-metaphysischer Natur sind. Nicht das ökonomische Denken hat versagt, sondern die Philosophen und Politiker, die die rechtlich fixierten Errungenschaften der Vernunft der Vermarktung freigegeben hatten.

Das ist der Sinn der Fragen von Karl Marx in den Pariser Manuskripten an die Nationalökonomie: „Welchen Sinn, in der Entwicklung der Menschheit, hat diese Reduktion des größten Teils der Menschheit auf die abstrakte Arbeit?

Welche Fehler begehen die Reformatoren en détail, die entweder den Arbeitslohn erhöhen und dadurch die Lage der Arbeiterklasse verbessern wollen oder die Gleichheit des Arbeitslohnes (wie Proudhon) als den Zweck der sozialen Revolution betrachten?“ Die erstaunliche Antwort lautet:

„Die Arbeit kommt nur unter der Gestalt der Erwerbstätigkeit in der Nationalökonomie vor.“ S. 46-47. Die Reformatoren reformieren nur den Markt, ohne es zu merken, dass sie dadurch notwendig nur neue Gewinner und neue Verlierer in einer Welt schaffen, die ihr menschliches Antlitz dafür büssen musste.

Das Wesen der Ökonomie ist kein ökonomisches Seiendes, genauso wie das Wesen der Technik kein technisches Seiendes ist. Da die Philosophie und Ökonomie im wesentlichen Zusammenhang stehen, bedeutet eine globale Finanzkrise zugleich eine globale Krise des philosophischen Denkens.